Review: Mad Max [PC]
Wir suchen uns im Sektor einen Heißluftballon (manchmal müssen wir diesem immerhin noch von Kabeln befreien oder erst betanken), zücken das Fernglas und verschaffen uns den sprichwörtlichen Überblick: Festungen, Metall-Vogelscheuchen und Sniper können so auf der Karte sichtbar gemacht werden. Konvois und Minenfelder müssen wir im Gebiet selbst finden, letztere werden meist durch einen großen Haufen Schrott sichtbar gemacht oder natürlich auf die harte Weise, wenn man über eine Mine fährt. Bei der Entschärfung hilft hier unser Minensuchhund, der uns mit seinem Gebell die Richtung zeigt. Vermutlich erklärt er uns auf hundisch auch immer wieder, wie dämlich wir eigentlich sind, die großen Minen”felder” bestehen schließlich jedesmal nur aus drei Minen, die unser Hund mit seinem Gebell aus der Tarnung holt und an die wir dann heran laufen können, um sie mittels Leatherman zu entschärfen. MacGyver wäre stolz.
Die Festungen der einzelnen Sektoren zeigen sich - bis auf den verwendeten Innenarchitekten - auch nicht sonderlich abwechslungsreicher: Zu Beginn müssen wir die Perimeterverteidigung des Lagers möglichst schnell beseitigen, denn nach Ablauf eines Timers werden diese plötzlich gebufft: Sniper und Granatenwerfertürme schießen öfter und stärker. In der Nähe der größeren Lager gibt es zwar auch immer einen Informanten, der uns ganz geheime Informationen zum Lager zusteckt, ob man allerdings versucht sich anzuschleichen oder direkt Frontal durch’s Haupttor bricht, macht keinen nennenswerten Unterschied und schleichend infiltrieren gelingt zumeist nicht.
Hat man die Verteidigungsanlagen beseitigt, gibt es stets ein Hauptziel zu erfüllen, um das Lager zu befreien und von nun an gelegentlich ein bisschen Metall (“Scrap”) in unsere Portokasse zu spülen. Ziele sind dabei das Zerstören einer Ölpumpe, zerstören von Öltanks oder schlicht alle bunt angemalten und offensichtlich von Spraydosen etwas benebelten Einwohner zu töten. Ist das Hauptziel erreicht, gehört die Basis uns, interagieren kann man dort aber nicht mehr mit irgendwas oder wem, man hat also selten einen Grund, dorthin zurückzukehren, außer vielleicht um fehlende Nebenziele zu erreichen. Nebenziele sind dabei die, die man schon aus der großen Welt kennt: Eine bestimmte Anzahl von Scrap-Lagern finden, Metallzeichen des Bösen zu zerstören oder Relikte in Form von Postkarten oder handschriftlichen Notizen zu sammeln. Ob sich das erfüllen der Nebenaufgaben auf den Umfang des regelmäßigen Geldes auswirkt, war dabei nicht zu erkennen. Tatsächlich wird nie klar, ob dies irgendwas bringt oder nicht. Für den Perfektionisten gibt es zumindest ein Achievement, besser als gar nichts....naja.
Neben dem Einreißen der Vogelscheuchen (mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad braucht es dafür immerhin eine bessere Harpune oder besser gepanzertes Auto) und dem Beseitigen der Sniper (wahlweise nieten wir dafür den Turm um oder platzieren sanft die Harpune in seinem Körper) bleiben noch die Konvois. Hier gilt es zunehmend besser gepanzerte Begleitfahrzeuge zu eliminieren und schließlich das Hauptfahrzeug in die Luft zu jagen. Als Belohnung gibt es - neben dem Feuerwerk - noch eine nette Verzierung für Front- oder Heckstoßstange. Die Tatsache, dass der einzige Zweck dieser Konvois zu sein scheint, im entsprechenden Sektor immer im Kreis zu fahren, ignorieren wir mal.
Als letztes erwartet uns im Sektor meist noch der “Top Dog”. Wie die Bezeichnung schon ahnen lässt, handelt es sich dabei um das Alphatier...den großen, mächtigen Rüden, der mit dem Knochen in der Hand nur darauf wartet, Hand an uns zu legen und uns ordentlich zu vermöbeln. Abwechslungsreich sind dabei jedoch - in sehr begrenztem Maße - nur die Lager selbst. Einmal eine Arena, einmal die Reste einer Bohrinsel. Gelegentlich noch Feuer dazu, das war es dann auch schon. Die Bosse selbst zeichnen sich nicht wirklich durch kreative Kampffertigkeiten aus, sondern eher durch unterschiedlich farbige Masken. Zu besiegen sind sie immer auf ähnliche Weise: Herantreten, dem Fury-Modus ausweichen, von hinten ran rollen, ein paar Mal drauf hauen (im besten Fall mit einer zufällig rumliegenden Nahkampfwaffe), weg rollen und das ganze von Vorne. Ist der “Top Dog” tot, gehört auch dieses Lager uns. In Schweiß bricht man dabei aber höchstens durch die Flammen aus.
Unsere dadurch gewonnen Reichtümer, investieren wir ein bisschen in den Ausbau unserer Großsektorbasis, hauptsächlich jedoch in das Fahrzeug “Magnum Opus”. Besserer Motor, bessere Panzerung, Harpune ausbauen, Raketenwerfer schneller laden, andere Farbe und Federung: Gar kein Problem! Dabei sollte man jedoch auf die ausgeglichene Auswahl achten: Hat man den Basis 6-Zylinder-Motor ohne Verbesserungen und montiert nun sämtliche Panzerung, hat man sehr bald einen Block von einem Panzer mit der Agilität eines toten Steins. Daher sollte man auch in Auspuff, Federung und Reifen investieren, um zumindest ein bisschen Handling und Beschleunigung zu behalten. Nebenbei gibt es noch die Reifen, die dank Metallkrallen Schaden beim Gegner bewirken und ein paar freundliche Metallspieße, die man sonst nur von jeder horizontalen Fläche der deutschen Bahnhöfe kennt. Sie sollen jedoch keine Tauben, sondern vielmehr lästige Besucher vom Auto fern halten. Wer sich damit nicht im Detail beschäftigen möchte, kann auch aus vorgefertigten Templates (“Archangels”) wählen. Dabei wird einem freundlicher Weise angezeigt, welches Bauteil man noch erwerben oder per Mission freischalten muss, anschließend genügt ein Klick und man bekommt das fertig ausgerüstete Auto in die Garage. Etwas Gewöhnungsbedürftig bis zum Schluss: Alle Fahrzeuge haben das Lenkrad auf der rechten Seite. Max kann Gott sei dank im Fahrzeug einfach durchklettern, denn bis zum Ende ist es selten gelungen, sich an die “richtige” Seite zu erinnern.
Wichtig ist dabei immerhin etwas Vorbereitung: Im Kampf zu heilen ist meist unmöglich. Eingesteckten Schaden können wir im Spiel grundsätzlich durch das Essen von Hundefutter oder Maden wieder heilen. Zusätzlich auch über das Trinken von Wasser, welches wir - im Gegensatz zur festen Nahrung - in einer Trinkflasche bei uns führen, sofern wir vorher eine Wasserquelle abgefüllt haben. Dabei ist die Animation des Trinkens jedoch so langsam, dass dies selbst in kurzen Unterbrechungen des Kampfes nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Da man hierdurch jedoch sogar angespornt wird, im Kampf nicht immer nur stupide die linke Maustaste zu verwenden, macht es durchaus Sinn und wirkt realistisch. Der restliche Schwierigkeitsgrad des Spieles ist schließlich nicht sonderlich groß.
Upgraden können wir neben dem Fahrzeug und der Ausrüstung von Max aber auch diesen selbst: Von einem unbekannten, Weisheiten murmelnden Sonderling namens Griffa bekommen wir die Möglichkeit, Fähigkeiten von Max aufzurüsten. Dies tun wir mit Fertigkeitenpunkten, die wir über Taten bekommen. Zerstören wir z.B. 50 Fahrzeuge, bekommen wir einen Punkt. Reißen wir 130 Mal einen Reifen von einem Fahrzeug, bekommen wir einen Punkt. Popeln wir 10 Mal in der Nase, bekommen wir einen Punkt. Insgesamt gibt es 10 Fertigkeiten a 10 Punkte aufzurüsten. Dabei gibt es nicht nur eine Verstärkung des Nahkampfschadens oder mehr Lebenspunkte, sondern z.B. auch zusätzlichen Scrap, effizienteres Sammeln von Wasser oder einen besseren Kraftstoffverbrauch beim Auto fahren und damit eine geringere Gefahr, mitten in der Wüste stehen zu bleiben. Die Punkte zu bekommen ist dabei leider nicht sonderlich schwierig, irgendwie scheint fast alles zu zählen und so wundert es auch nicht, dass man bereits nach den ersten beiden Großsektoren genug Punkte durch Taten gesammelt hat.
Und wofür dies alles? Haben wir alle Sektoren im Großsektor befreit, werden wir mit einer fröhlichen grünen 0 als Zeichen der Bedrohung belohnt und dies ist schließlich Lohn genug, oder? Nebenbei haben wir hoffentlich die im Großsektor befindliche Basis ausgebaut, Ölpumpe, Scrapsammler, Wassersammler und hübsche Tapeten inklusive. Dies bringt neben Scrap auch noch den günstigen Nebeneffekt, dass wir immer geheilt, aufgetankt und neu munitioniert werden, sobald wir die Basis angesteuert haben. Was wie ein netter Wirtschaftssimulator klingt, wird jedoch spätestens nach der zweiten - völlig identisch auszubauenden - Basis eher zur nervigen Kartenabgrasung, die Bauteile für die einzelnen Aufrüstungen gibt es nämlich nur im Gelände. Immerhin kann man diese markieren lassen. Rein inhaltlich würde es aber auch reichen, dies nur einmal mit der ersten Basis zu machen. Mittels Schnellreise können wir schließlich dort alle 25 Minuten alles auffüllen lassen, bevor wir dann mit erneuter Schnellreise wieder zur aktuellen Großsektorbasis oder dem aktuellen Heißluftballon zurückkehren. Trotz des eigentlich sehr schlichten Settings der Wüstenwelt, haben sich die Entwickler das eine oder andere Easteregg nicht nehmen lassen. So findet man an einer Basis ein mittels Herzen an der Wand gekennzeichnetes Liebesnest oder das eine oder andere (Fremd)Filmzitat. Die Menge an verwendeten Sofas und Sesseln lässt darüber hinaus vermuten, dass IKEA bis zum Ende der Zivilisation ausgehalten hat.
Was sicherlich als netter Zeitvertreib gedacht war, zeigt sich im laufenden Spiel nicht wirklich abwechslungsreich. Immerhin gibt es nur vier dieser Großsektorbasen, danach hatten vermutlich auch die Entwickler keine Lust mehr, die gleichen Projekte in unterschiedliche Basen einzubauen. Wenn man die Story verfolgen möchte, reicht es eigentlich fast aus, die ersten beiden Großsektoren komplett abzuschließen. Das danach (auch offline) automatisch gesammelte Einkommen genügt jedenfalls, um sämtliche Erweiterungen für Max und sein Auto zu kaufen. Einige Upgrades gibt es nur nach entsprechender (Neben)mission und sollte daher vom Perfektionisten mit erledigt werden.
Fazit:
Mad Max ist ein solides Spiel. Wenn man dies in eine Skala pressen will, gibt es vielleicht 6 von 10 Punkte, 62 von 100 Schraubenschlüssel oder 623 von 1.000 Motorblöcken. Das Setting ist sehr schön und wird durch gelegentliche Sandstürme aufgepeppt, die Grafik macht Spaß und die Effekte sind im richtigen Maß eingesetzt, während die Story bis kurz vor dem Ende gerade noch “ok” ist und das Spiel schlicht entsprechend vorwärts bringt, ohne groß zu fesseln oder den Drang nach Meer (!) zu wecken. Die Nebenquests zeigen sich bis auf gelegentliche Ausreißer nicht sehr verlockend. So gibt es z.B. eine Mission, in welcher man “guten Stahl” besorgen muss. Max fährt dazu in einen alten U-Bahn-Schacht und schiebt mittels Auto immerhin einen kompletten Wagon über die Klippe. Zur Belohnung gibt es einen verbesserten Fahrzeugrahmen. Die meiste Zeit verbringt man jedoch mit dem Sammeln von Altmetall, Abrissarbeiten an künstlerisch nicht sehr wertvollen (gegnerischen) Vogelscheuchen und dem befreien von Lagern. Das ganze immer und immer wieder auf die gleiche Art, die weder neu noch innovativ sind. Die als “Top Dogs” deklarierten Zwischenbosse sind fast eine Beleidigung für jeden Zwischenboss und die Steuerung unseres Protagonisten wirkt oft sehr künstlich und angestrengt: Jede kleine Kiste ist da ein unüberwindliches Hindernis und wenn Max “springt”, möchte sich jeder Erstklässler vor Scham irgendwo verstecken.
Wer mit dem Auto durch den Sand fahren und einen verrückten Mechaniker dabei haben möchte, der auch gerne mal alleine mit dem Auto und seinem “Schraubenschlüssel” ist, wird seine Freude an Mad Max haben. Spielverhindernde Bugs sind beim Testen nicht aufgetreten und man kann auf jeden Fall gut Zeit rumbringen. Wer - insbesondere von der Story - mehr erwartet, sollte lieber etwas anderes spielen.
[Dieses Review entstand nach ca. 40 Stunden Gameplay auf dem PC]